Upcoming Architects Facing New Conditions

Interview mit Matthias Alder & Alessandro Nunzi, Alder Clavuot Nunzi Architekten GmbH ETH SIA

„Upcoming Architects Facing New Conditions“ ist der Titel unserer Interviewserie. Was sind für Sie die wesentlichen Conditions mit denen Sie sich konfrontiert sehen?

In der Architekturdiskussion geht es aktuell vor allem um die Probleme, mit denen sich die Städte konfrontiert sehen, wie zum Beispiel die Ressourcenknappheit, etwa von Boden oder von Energieträgern. Wir im Bergell spüren diesen Druck nicht auf dieselbe Art und Weise, weil hier das Verhältnis von Siedlungsgebieten und naturnahen Räumen ein ganz anderes ist. Dennoch beschäftigen uns die genannten Themen gleichermaßen. Hinzu kommt der fortwährend stärker werdender Einfluss von digitalen Technologien. Die neuen Möglichkeiten, die dadurch entstehen, interessieren uns sehr. Wir suchen bei allen Möglichkeiten, aber auch immer wieder die Rückbesinnung auf das Elementare, dorthin muss die Architektur immer wieder zurückfinden. Wir erleben, dass die gesetzlichen Grundlagen stark von den klimatischen Veränderungen geprägt sind und trotzdem für das Bergell nur zu Teilen brauchbar sind. Wir kämpfen hier beispielsweise damit, dass der Wald unsere Kulturlandschaft wieder zurückerobert. Unser Problem ist also ein ganz anderes als in den urbanen Zentren, wo Fläche etwa durch Zersiedelung verloren geht.

Wie muss nachhaltiges und ressourcen­schonendes Bauen Ihrer Meinung nach aussehen?

Wenn die Ressourcen da sind, dann können wir sie auch nutzen. Wie schon erwähnt: Wir haben hier viel Wald. Wir sollten entsprechend mit unserem heimischen Holz bauen können. Aber das Holz, das hier geschnitten wird, geht nach Italien und wir verbauen dann letztlich im Bergell Holz aus anderen Regionen Europas. Die Globalisierung ist bei uns also genauso präsent wie anderswo. Eine heile Welt ist das nicht. Auch das Heizen ist für uns an dieser Stelle Thema, denn wir sind keine Freunde von viel Gebäudetechnik, die nur eine gewisse Lebensdauer hat. Wir glauben, Energie zu sparen, ist für uns als Menschen sehr schwierig. Wir müssen unserer Meinung nach eher Wege finden, mehr Energie zu produzieren, ohne die Umwelt zu belasten. Ressourcenschonend zu handeln, beginnt mit einem Bewusstsein für die Dinge und ihre Lebensdauer, und genau dieses Bewusstsein versuchen wir ständig weiterzuentwickeln und weiterzutragen. Uns muss klar sein, dass wir mit unserem Handeln auch noch Jahre später Folgen auslösen können. Dieses Wissen auch an unsere Bauherren weiterzugeben, ist Teil unserer gesellschaft­lichen Verantwortung.

Casa Boscaia in Castasegna

Was sind für Sie die drei wichtigsten Handlungsfelder zur Förderung nachhaltiger Architektur?

Ein wichtiger Punkt ist eine präzise Raumplanung mit sinnvollen Maßstäben und gute Baugesetze, die den Rahmen schaffen, um ressourcenschonend zu bauen. Weiterhin ist die vielfältige Nutzungsdurchmischung in baulicher Dichte, also auf kleinem Grund möglichst qualitativ hochwertig und divers arbeiten zu können, von zentraler Bedeutung, sodass keine Monokulturen entstehen. Und zu guter Letzt braucht es eine stärkere lokale Bauwirtschaft.

Häxehüsli in Wil

Wie empfinden Sie die Architekturentwicklung in der Gesamtschweiz und in Europa?

 Schweizweit betrachtet haben wir immer das Gefühl, dass die durchschnittliche Architektur einen immer höheren Wert bekommt. Aber wir nehmen auch wahr, dass die Schere zwischen der Architektur, die in Zeitschriften kursiert und derjenigen, die vielerorts alltäglich zu erleben ist, auseinander geht. Diese Tendenz ist langfristig nicht gut. Wir vermuten, dass dieses Problem europaweit zu finden ist. Wir sind davon überzeugt, dass es unglaublich wichtig ist, dass die Durchschnitts­architektur von guter Substanz ist und langfristig funktioniert. Dafür sind wiederum die Raumplanung und die bauliche Diversität von entscheidender Bedeutung, ebenso eine möglichst große Breite an guten Architekten.

Brauchen wir grundlegend ein anderes Verständnis von Gebäuden für die Zukunft?

Wahrscheinlich schon. Wobei das nötige Verständnis wieder eng mit der spezifischen Umgebung verknüpft ist, in der man lebt und baut. BIM ist äusserst intelligent und hat Vorteile. Aber wie oft werden wir die Gelegenheit bekommen, um BIM wirklich anzuwenden? Gerade bei historischen Bausubstanzen, rennt man bis zu zweimal am Tag auf die Baustelle, weil wiederholt etwas Unvorhergesehenes passiert ist. BIM braucht es hier wahrscheinlich noch nicht. Das Bauen ist immer noch sehr archaisch. In diesem Sinne sind wir also sehr analog und hoffen, dass wir auch weiterhin so arbeiten können. Wir glauben, es täte gut, wenn man hin und wieder Luft dazu hätte, das konventionelle Bauen über Bord zu werfen, um darüber nachdenken zu können, was elementar und sinnvoll in der Architektur wäre.

Ein Beispiel ist der Einbau von Lüftungsanlagen in den Rohbau. Erfahrungsgemäß ist das Lüftungssystem der Bauwerkteil mit der kürzesten Lebensdauer und trotzdem ist genau dieser am engsten mit dem Gebäude verbaut – das ist einfach unlogisch. Spannend finden wir beim Thema Gebäudeklimatisierung zum Beispiel auch die Nutzung der Qualität von Lehm zur natürlichen Befeuchtung und Klimatisierung von Räumen. Sicher, für derartige Überlegungen braucht man auch die richtigen Bauherren, aber alles mit Technik regulieren zu wollen, ist in unseren Augen auf jeden Fall nicht die Lösung. In der Schweiz muss das Haus energetisch „State of the Art“ sein, sodass bestimmte Dinge, die wir am historischen Altbau so schätzen, oft nicht mehr möglich sind; wie im Winter kompakter zu leben und Räume mit Zwischenklima zu haben, wo Gemüse wunderbar lagern kann. Also ein Gebäude mit verschiedenen klimatischen Zonen. In neuen Häusern gibt es solche Zonen – oder besser Räume – nur ganz selten.

Magazzini Comunali in Vicosoprano

Gast

Portrait
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Matthias Alder, Silvana Clavuot & Alessandro Nunzi

Alder Clavuot Nunzi Architekten GmbH ETH SIA

Uns beschäftigt in der Architektur die gedanklich tiefe Auseinandersetzung mit einer Aufgabe und ihrem Kontext, dies in ständigem Hin und Her zwischen theoretischen Untersuchungen und der unmittelbaren Überprüfung derselben im Konkreten, Dinghaften, Substanziellen. Die daraus wachsenden Thesen und Konzepte sollen so streng wie nötig und so ungezwungen wie möglich sein und einen Charakter entstehen lassen, mit dem ein Projekt in sämtlichen Massstabsebenen seinen entsprechenden Ausdruck findet sowie als verortetes Bauwerk eine Robustheit und Selbstverständlichkeit erreicht.
Matthias Alder, Silvana Clavuot und Alessandro Nunzi leben und arbeiten seit den ersten gemeinsamen Projekten in Soglio im Bergell und führen ein Atelier mit 1 – 2 Mitarbeitern.

Gastgeberin

SabineGotthardt
SabineGotthardt

Sabine Gotthardt

Leader, Business Development Architecture & Real Estate Central Europe, LIXIL EMENA

Als Diplom-Ökonomin wurde sie 2008 von der GROHE Deutschland Vertriebs GmbH beauftragt, ein Netzwerk von VIP-Architekturbüros und Immobilienunternehmen aufzubauen, um deren Empfehlungsverhalten zugunsten von GROHE positiv zu beeinflussen. Als "Türöffnerin" entwickelte sie Strategien, um die Top-Entscheider der Architektur- und Innenarchitekturszene an GROHE zu binden. Verschiedene von ihr entwickelte Interviewreihen dokumentieren das Engagement von GROHE, die Entwicklungen und Veränderungen in der Baubranche als Partner zu begleiten.

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