Paradigmenwechsel in der Baubranche: Quo Vadis?
Interview mit dem Chef von HPP Architekten, Burkhard Junker
Sie sprechen in Bezug auf Digitalisierung, Urbanisierung, Globalisierung von einem Reichtum an Möglichkeiten. Was sind für Sie die elementaren Herausforderungen der Transformation?
Unsere Städte müssen sich an die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen anpassen. Im Moment erkennen wir die Veränderungen in den Arbeitswelten. Wir haben eine hohe Homeoffice-Quote, Büros stehen leer und Wohnung sind nicht mehr bezahlbar. Wir wissen, dass unsere Städte im Verkehr ersticken. Städte neu zu denken und zu verändern, ist eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen. Wir können nicht einfach eine ganze Stadt neu planen, alles abreißen und neu bauen. Wir müssen mit den Recourcen umgehen, welche wir haben.
Wie muss die Baubranche morgen funktionieren?
Heute ist es in der Baubranche leider häufig so, dass jeweils der nächste erst einmal schaut, was der erste unzureichend gemacht hat. Das ist fast schon ein systemischer Zustand. Eine wünschenswerte Form der Zusammenarbeit wäre, wenn wir wieder zurückkämen zu einer Art Partnermodell, in dem sich alle Beteiligten als Partner verstehen würden und fragen: Wie können wir diese Aufgabenstellung gemeinsam qualitativ, wirt- schaftlich und in einem effizienten Zeitrahmen planen und umsetzen?
Die Transformation in der Baubranche umfasst u.a. die Abkehr von Prototypen hin zur Serie. Birgt das Gefahren?
Wir werden in die Serie kommen. Beim Wohnungsbau werden wir das sogar brauchen. Wir haben in Deutsch- land einen Bedarf von mehr als 400.000 Wohnungen, der unbestritten ist. Dabei ist der geförderte Wohnungsbau so belegt mit Normen, dass er eigentlich kaum mehr umsetzbar ist. Da muss man sich als Architekt fragen: Was ist die Aufgabenstellung? Und die ist, möglichst schnell viel Wohnraum für einen bezahlbaren Preis zu realisieren und dann entstehen eben nicht mehr nur individuelle Prototypen, sondern modulare Serien.
Wird KI eine automatische Marktbereinigung in der Baubranche vornehmen?
Ich sehe den Einsatz von KI optimistisch und sorgenvoll zugleich. Ich glaube, dass wir zu dem Punkt kommen werden, dass wir tatsächlich ein mit KI erzeugtes Modell, 20 Varianten dazu, eine Planung und auch eine Aus- schreibung generieren werden. Ich glaube, dass wir im Moment fast ein wenig von zahlreichen neuen Möglich- keiten überholt werden. Wir müssen lernen, dass wir zukünftig den Input geben und dann Systeme bedienen, die wahrscheinlich eine höhere Automatisierung in die Planung und Umsetzung bringen werden. Dabei bewegen wir uns in einem Spannungsfeld: Wie lange brauchen wir noch so viele Beteiligte für diese Wertschöpfungs- kette? Oder können wir das nicht auch digital effizienter hinkriegen? Ich glaube, dass der Architekt wieder in der Rolle des Ideengebers arbeiten wird, der weiß, was er in die KI eingeben muss, um ein intelligentes Ergebnis zu generieren. Das Leistungsbild eines Architekten wird sich damit verändern. Nichtsdestotrotz bleibt der Bereich der Kreativität und der Qualitätsüberwachung unverän- dert. Denn wir müssen uns klarmachen: Die KI wird nichts Neues und keine neuen Strömungen erfinden. Die KI wird, glaube ich, immer nur das, was schon da ist, verbessern. KI wirft da vor allem unter humanitären Gesichtspunkten noch viel mehr Fragen auf: Wo ent- wickeln wir Menschen uns hin? Was brauchen wir für unser Leben? Was ist unser Umfeld? Wie leben wir? Wie sind Gefühle zu gewissen Dingen, die ja Trends ausmachen? Wenn ich heute die KI frage, wie die Mode in fünf Jahren aussieht, dann werde ich 20 Varianten bekommen, aber ob der tatsächliche Trend dabei ist, weiß ich nicht.
Was macht eine moderne, zukunftsorientierte und nachhaltige Stadtentwicklung aus?
Für mich ist das eine einfache Antwort: Eine zukunfts- orientierte Stadt hat einen intelligenten Nahverkehr- Ausbau mit Sharing-Modellen, Raum für Fußgänger, kurze Wege und gemischte Nutzungen. Ich muss Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gastronomie und all das, was das städtische Leben ausmacht, befördern. Wir brauchen keine monofunktionale Innenstadt mehr, wo es nur Handel und Büros gibt. Zudem sollte die moderne Stadt eine digital vernetzte Stadt sein.
Gast
Burkhard Junker
HPP Architekten GmbH, Düsseldorf
Burkhard Junker wurde 1964 in München geboren. Nach seinem Bauingenieur- und Architekturstudium an der Technischen Universität München war er zunächst als Architekt und Projektleiter bei Winkler, Effinger und Partner und Professor Arno Bonanni in Berlin tätig. Nach weiteren Stationen als Bauherrenvertreter bei DaimlerChrysler Immobilien, Partner und Vorstand bei ATP Achammer - Tritthart & Partner wurde er Geschäftsführer bei OBERMEYER Planen und Beraten. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten und internationalen Projekten wechselte er 2014 in den Gesellschafterkreis von HPP Architekten. Seit 2018 ist Burkhard Junker Senior Partner der HPP Architekten GmbH und hat als Büroleiter die Fortentwicklung des Münchner Standorts unterstützt. 2023 wurde er zum Geschäftsführer der HPP Architekten GmbH sowie der HPP International ernannt und führt seine Arbeit nach vielen Jahren in München schwerpunktmäßig aus Düsseldorf fort.
Gastgeberin
Sabine Gotthardt
Leader, Business Development Architecture & Real Estate Central Europe, LIXIL EMENA
Als Diplom-Ökonomin wurde sie 2008 von der GROHE Deutschland Vertriebs GmbH beauftragt, ein Netzwerk von VIP-Architekturbüros und Immobilienunternehmen aufzubauen, um deren Empfehlungsverhalten zugunsten von GROHE positiv zu beeinflussen. Als "Türöffnerin" entwickelte sie Strategien, um die Top-Entscheider der Architektur- und Innenarchitekturszene an GROHE zu binden. Verschiedene von ihr entwickelte Interviewreihen dokumentieren das Engagement von GROHE, die Entwicklungen und Veränderungen in der Baubranche als Partner zu begleiten.