Paradigmenwechsel in der Baubranche: Quo Vadis?
Interview mit Jan Foerster
Was bedarf es Ihrer Meinung nach, um den Bausektor zukunftsfähig zu gestalten?
Ich glaube, wir haben den gesunden Menschenverstand komplett ausgeschaltet. Die Baubranche ist träge geworden. Dabei müssen wir die Verfahren eigentlich beschleunigen. Hinzu kommt, dass ich es nicht ohne anwaltliche Unterstützung schaffe, eine Regel zu durchbrechen, auch wenn das deutlich sinnvoller wäre, als sie zu befolgen. Die Tatsache, dass ich mich als Architekt außerdem gegen jede Eventualität absichern muss, ist ein zusätz¬liches Hindernis. In meinen Augen lässt sich nicht mehr innovativ bauen, weil man es einfach nicht darf und das müsste sich verändern.
Welche Chancen sehen Sie für unsere Baukultur heute?
Ich glaube, uns ging es lange zu gut. In den 1970er-Jahren hatten wir die Ölkrise und trotzdem hat man sich hier in München auf die Zukunft gefreut. Man war offen für neue Ideen und Utopien. Man hat gesagt: „Wir bauen was auf. Wir schaffen was Neues.“ Wenn es mir aber durchweg gut geht, brauche ich keine Utopie für die Gestaltung der Zukunft. Ich glaube, diese ganzen Kämpfe und Versuche wie Fridays for Future sind ins Leere gelaufen, weil es uns im Großen und Ganzen zu gut ging. Erst langsam merken wir, die Schere und damit auch der soziale Unfrieden wird immer größer. Wir merken, dass es plötzlich 45 Grad in Madrid und 38 Grad hier in München haben kann, dass uns das Wasser ausgeht und bald das Gas fehlt. Ich glaube, all das bringt große Chancen mit sich. Meine Hoffnung ist, dass unsere Verwaltung, Politik und Gesellschaft den Hebel noch rechtzeitig genug umgelegt bekommt.
Wie lässt sich ihrer Ansicht nach nachhaltigen Bauen tatsächlich verwirklichen?
Ich glaube, wenn der Auftraggeber nicht will, bringt jede Bemühung nichts. Wir nennen unsere Herangehens¬weise hierbei die Problem-Mehrwert-Relation. Wir denken, die Kunst besteht darin, auf den Kundenwunsch – nämlich möglichst schnell, kostengünstig Fläche zu generieren, mit nachhaltigen Lösungsvorschlägen zu reagieren. Dabei geht es auch darum, den Bauherren argumentativ stichhaltig zu überzeugen: Wenn Du in Holz baust, hast Du beispielsweise dünnere Wände und bekommst damit drei Prozent mehr nutzbare Fläche. Solche Argumente können überzeugen. Der Architekt muss die Dinge also in die eigene Hand nehmen und Überzeugungsarbeit leisten.
Nicht alle Nachhaltigkeitsanforderungen an zukünftige Planungen können als Gegenstand der Leistungen der heutigen HOAI gesehen werden. Was muss sich ändern?
Die letzte HOAI ist von 2013. Mittlerweile wurde allerdings eine neue Berechnung angestellt, die öffentlich, aber nicht rechtlich bindend ist: Sie fällt 20 Prozent höher aus als die HOAI 2013. Das zeigt immerhin deutlich, mit welchen Herausforderungen Architekten zu kämpfen haben und wie sie im Verhältnis dazu bezahlt werden. Den eigenen Aufwand dem Auftraggeber klarzumachen, was die HOAI alles nicht umfasst, ist heutzutage Wahnsinn. Und wenn man sich dann noch überlegt, welche Pflichten ich als Architekt habe: Im Grunde muss ich in drei bereits alles geplant haben, weil ich nachweisen muss, dass meine Planung funktioniert und ich zudem erst dann die Kosten sicher bestimmen kann. Das alles bindet und fordert so sehr, dass ich nachvollziehen kann, wenn unser Bauherr sagt: „Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Gib mir doch einfach einen Preis.“ Und alles, was ich dann als Architekt sagen kann, ist: „Ich weiß noch gar nicht für was der Preis sein soll.“ Das macht die Arbeit wirklich schwierig.
Worin sehen Sie Ihre Aufgabe als Architekt?
Letztendlich sehe ich die Aufgabe des Architekten darin, eine gute gebaute Umwelt für unsere zukünftige Gesellschaft zu bauen. Wir versuchen uns dagegen zu wehren, den Architekten als Kunstschaffenden hervorzuheben. Wir haben eigentlich eine viel größere Aufgabe als Kunst zu schaffen. Ich glaube, dass Gro der Architekten hat die Aufgabe der Gesellschaft zu dienen, indem sie gesellschaftliche, kulturelle, ökologische und soziale Prozesse und Entwicklungen erkennen, interpretieren und daraus nachhaltige Lösungen entwickeln.
Gast
Jan Foerster
Teamwerk-Architekten
Jan Foerster, in München geboren , studierte an der Technischen Universität München und an der Architectural Association in London. Schon während des Diploms, das er 2000 absolvierte, gründete er das eigene Büro teamwerk-architekten.Er war Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und ist bis jetzt ständiges Kommissionsmitglied des Max-Weber-Programms der Studienstiftung. Von 2003 bis 2005 war er am Lehrstuhl für Grundlagen der Planung der Universität Stuttgart bei Prof. Schönwandt wissenschaftlicher und lehrender Assistent.Das nun seit über 21 Jahren bestehende Büro Teamwerk-Architekten hat sein kurzem eine Zweigstelle in Berlin eröffnet. Die Projekte von TWA starten meistens schon in der Phase der Projektentwicklung in enger Zusammenarbeit mit Entwicklern, Investoren und der Stadt. Der Schwerpunkt liegt dabei neben dem Holzbau in der Revitalisierung, Umnutzung und der Entwicklung langfristig nachhaltiger mehrfach und gemischt genutzter Projekte.
Gastgeberin
Sabine Gotthardt
Leader, Business Development Architecture & Real Estate Central Europe, LIXIL EMENA
Als Diplom-Ökonomin wurde sie 2008 von der GROHE Deutschland Vertriebs GmbH beauftragt, ein Netzwerk von VIP-Architekturbüros und Immobilienunternehmen aufzubauen, um deren Empfehlungsverhalten zugunsten von GROHE positiv zu beeinflussen. Als "Türöffnerin" entwickelte sie Strategien, um die Top-Entscheider der Architektur- und Innenarchitekturszene an GROHE zu binden. Verschiedene von ihr entwickelte Interviewreihen dokumentieren das Engagement von GROHE, die Entwicklungen und Veränderungen in der Baubranche als Partner zu begleiten.