Innenarchitektur im Einklang mit Nachhaltigkeit!
Interview mit Julia Schneider
Warum hinkt der Stellenwert der Innenarchitektur oft dem der Architektur hinterher? Warum brauchen wir die Innenarchitektur?
Den wahren Grund kenne ich nicht. Sicher gibt es eine gewisse Spezies an Architekten und auch an Bauherren, die glauben, dass man Innenarchitekten nicht braucht. Aber das wäre, als würde man beim Auto nur die Karosserie ohne Innenleben bauen. Vielleicht ist das auch ein Genderthema, denn die Innenarchitektur ist ja oft sehr weiblich konnotiert, dabei sind beispielsweise gerade die guten italienischen Innenarchitekten von den 1920er-Jahren an alle männlich. Dazu kommt, dass Innenarchitektur als etwas Teures und damit als etwas wahrgenommen wird, dass sich nur die High Society leisten kann. Ich denke, Innenarchitektur wird an dieser Stelle verkannt. Hier im Museum am Domberg haben wir einen besonderen Raum, den Lukausraum in Achse zum Turrell mit seiner „Lukes Chapel“, für die Schausammlung gestaltet. Dort haben wir einen Fußbodenwechsel vorgenommen, der erst einen Aufschrei ausgelöst hat, denn warum legen wir auf den schönen Boden einen Teppich? Aber wenn man das Raumgefüge jetzt betritt, entsteht ein gedämpftes Raumgefühl, wo kein Schild „Bitte leise sein“ vonnöten ist, denn der Raum fordert die Stille intuitiv ein. Und genau das ist es, was an Innenarchitektur, meiner Meinung nach, unterschätzt wird, denn man kann viel erreichen, ohne dass man vordergründig merkt, dass Innenarchitektur überhaupt da ist und stattfindet. Das wird leider nicht ernst genug genommen.
Haben Sie eine sich immer wiederholende Strategie für Raumkonzepte?
Ja. Die Strategie ist: Zuhören. Wir stellen zunächst immer viele Fragen. Wir verstehen uns nicht als Spezialisten für bestimme Bauaufgaben, sondern als Spezialisten für spezielle Lösungen. Grundsätzlich arbeiten wir immer aus der Analyse und dem Grundriss heraus und organisieren zunächst objektiv für das Projekt essenzielle Bewegungsflächen und Nutzungsbereiche.
Wir sind überzeugt, Räume müssen nicht nur funktionieren, sie müssen auch Luft zum Atmen lassen, Orientierung gebieten und können dabei unterhalten und charmant sein.
Laut renommierter Architekt*innen befürworten alle das Thema Nachhaltigkeit, es darf nur keine Mehrkosten verursachen. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?
Man muss Überzeugungsarbeit leisten. Wir befassen uns bei unseren Projekten zunächst grundsätzlich nicht mit Materialien und Dingen, die fehlen, sondern mit dem, was vorhanden und erhaltenswert ist. Denn ich glaube, der erste Schritt zur Nachhaltigkeit ist, dass man weniger neu bauen und entsprechend weniger entsorgen muss. Also dass man mit den Ressourcen und Energien, die in ein Objekt bereits hineingeflossen sind, bewusst umgeht. Ich glaube, das können wir Innenarchitekten sehr gut. Grundsätzlich lässt sich zum Thema sagen: Die Auftraggeber kommen nicht mit der Aussage zu uns „Ich möchte nachhaltig bauen“ sie haben vielmehr eine Vision vor Augen, die wir als Planer mit nachhaltigen Ideen ergänzen können. Natürlich bedeutet das Bewahren auch einen gewissen Aufwand. Das, was später wieder glänzen soll, muss zunächst geschützt und dann aufgearbeitet werden und das bedeutet eben auch einen monetären Aufwand. Auch das muss einem als Bauherr erst mal klar. Was am Ende umgesetzt wird, kann vielfältig sein. Manchmal müssen wir auch die „Kröte fressen“ und dann doch den Kunststoffboden einbauen. Das kann ich aber immer auch „unter Protest“ machen, indem ich schriftlich festhalte, dass ich aus folgenden Gründen von dieser Entscheidung abrate. Dennoch, es gibt für jede Entscheidung ihre Gründe.
Wenn man sich die gebaute Umwelt anschaut, ist man oft überrascht, wie viel an den Menschen vorbeigeplant wurde. Woran liegt das?
Es wird einfach zu schnell gebaut. Es geht um Geld und Effektivität und nicht um die Gesundheit des Menschen. Da darf man den Architekten aber nicht allein die Schuld geben, sondern muss auch den Bauherren sagen: Plant umfassend. Denn was soll euer Endziel sein? Die Gesundung des Menschen." Dabei glaube ich, dass der Planungsprozess an sich nicht verlängert werden muss, sondern dass einfach ganzheitlich geplant werden muss. Oft kommen wir Innenarchitekten dafür leider viel zu spät mit ins Boot.
Inwiefern wird die Digitalisierung das Erleben von Räumen verändern?
Die Digitalisierung macht es den Bauherren einfacher, sich für einen Entwurf zu entscheiden. Aber das war es dann auch schon. Wobei das natürlich eine Frage des Bauherrn ist: Manche Projektentscheider brauchen die Visualisierung, um sich etwas vorstellen zu können und kurzfristig Entscheidungen verbindlich treffen zu können. Andere wiederum brauchen den Interpretationsspielraum, den Handskizzen und Collagen offenlassen.
BIM ist wiederum auf der Baustelle revolutionär, weil alle Gewerke besser miteinander arbeiten können. Der digitale Zwilling ermöglicht, dass man alle Eventualität einfacher durchspielen kann, noch bevor gebaut wird. Das ist hilfreich. Wichtig ist, sich klar darüber zu sein, dass es zum Beispiel auf dem Bau – ganz gleich welche Technik zur Anwendung kommt – weiterhin immer auch den Menschen brauchen wird.
Gastgeberin
Sabine Gotthardt
Leader, Business Development Architecture & Real Estate Central Europe, LIXIL EMENA
Als Diplom-Ökonomin wurde sie 2008 von der GROHE Deutschland Vertriebs GmbH beauftragt, ein Netzwerk von VIP-Architekturbüros und Immobilienunternehmen aufzubauen, um deren Empfehlungsverhalten zugunsten von GROHE positiv zu beeinflussen. Als "Türöffnerin" entwickelte sie Strategien, um die Top-Entscheider der Architektur- und Innenarchitekturszene an GROHE zu binden. Verschiedene von ihr entwickelte Interviewreihen dokumentieren das Engagement von GROHE, die Entwicklungen und Veränderungen in der Baubranche als Partner zu begleiten.
Gast
Julia Schneider
Innenarchitektin und BDIA-Mitglied
Julia Schneider, Innenarchitektin und BDIA-Mitglied, ist Gründerin des Büros für Innenarchitektur "iam interior.architects.munich". Ihr Fokus liegt auf exzellentem Design mit architektonischer Raffinesse und subtiler Eleganz. Hingabe, Präzision und Streben nach Wirkung prägen ihr Schaffen.
Mit Couture-Ansatz kooperiert Julia eng mit Privatwirtschaft und Institutionen. Aufenthalte bei "1100 Architects" in New York und Münchner Büros beeinflussten ihren individuellen Stil. 2014 gründet Sie ihr Kreativbüro iam.
Von 2007-2010 lehrte sie in Rosenheim und ist Mitglied in diversen Jurys und Ausschüssen der BYAK. Ihre Projekte werden in Fachzeitschriften und Büchern vorgestellt. "iam" erhält Auszeichnungen in den Kategorien wie "German Design Award" und "best of interior ", diese prägen den Geist des Studios und entsprechen der Vision iam.