Upcoming Architects Facing New Conditions

Interview mit Christine Horner & Christoph Hinterreitner

Sie blicken auf 22 Jahre Selbstständigkeit zurück. Wie ist es Ihnen gelungen, sich als junges Büro erfolgreich zu positionieren?

Während unseres Studiums konnten wir bereits in verschiedenen Architekturbüros in Wien und im Ausland arbeiten. Nach dem Abschluss 2000 haben wir uns dann direkt selbstständig gemacht. Um mit dem eigenen Architekturbüro zu starten, war Österreich sicher ein gutes Land. Über verschiedene Netzwerke konnten wir uns zu Beginn unserer Karriere gut mit etablierten und auch gleichaltrigen Architekt*innen austauschen und vernetzten. Das war sehr hilfreich. Als reines Wettbewerbsbüro begann unsere Selbstständigkeit mit unserem ersten Wettbewerbsgewinn. Unser Vorteil war oder ist unser großes Netzwerk, auf das wir im Wettbewerb und dann auch in der Umsetzung zurückgreifen und so für das jeweilige Projekt ein passendes Team zusammenstellen können. Wir streben dabei immer danach, ein Planerteam zu haben, das im Wesentlichen aus mindestens fünfzig Prozent an Beteiligten besteht, mit denen wir schon einmal zusammengearbeitet haben.




Worauf sind Sie rückblickend in Bezug auf Ihre Arbeit besonders stolz?

Wir sind stolz auf die Schwerpunkte, die wir uns gesucht haben: Öffentliche Bauten und insbesondere Bildungsbauten ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Berufstätigkeit und begeistern und fordern uns. Über die Wettbewerbe, die wir uns für unsere Teilnahmen aussuchen, sind wir fast nur für die öffentliche Hand und vereinzelt für größere Unternehmen tätig. Wir haben deshalb nie Projekte gemacht, bei denen wir unsere Überzeugungen hätten verleugnen müssen. Dabei machen wir Projekte mit allen Leistungsphasen. Das ist zwar herausfordernd, weil man für alles verantwortlich ist, aber aus unserer Sicht ist das etwas, was unsere Arbeit prägt. Einen Entwurf machen und dann jemand anderen bauen lassen, das kommt für uns nicht infrage. Unser Ziel ist es, dass wir alles machen, und zwar so gut wie möglich. Unser Motto dazu lautet: „What you see is what you get.“ Uns ist wichtig, dass der Entwurfsgedanke aus dem Wettbewerbsbetrag in jeder Leistungsphase erhalten bleibt und nicht im Verlauf des Projektes untergeht.




Halle Neufeld

Wem soll Ihre Architektur dienen?

Bei den Schulen ist das klar: den Schülern und Pädagogen. In unserer Schulzeit hat man im Schulgebäude seine Stunden abgesessen und war froh, wenn man wieder gehen konnte. Heute ist das anders: Die Schule ist mittlerweile ein Ort, wo Menschen einen ganzen Lebensabschnitt samt ihrer Freizeit verbringen. Wir denken darum: dass Gebäude sollte seinen Nutzern auch immer eine Wertschätzung entgegenbringen. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, die Schüler auf ihre Zukunft vorzubereiten und weil sich die Vorstellung von der Zukunft kontinuierlich weiterentwickelt, verändern sich automatisch auch die Anforderungen an die Bauaufgabe – und gerade das macht den Schulbau für uns so spannend. Wenn wir eine Gesellschaft wollen, die auf Offenheit und Gleichberechtigung beruht, dann muss das an den Gebäuden, in denen unterrichtet wird, ablesbar sein.

In einem größeren Maßstab: Was die Stadt und deren Nutzung prägt, prägt auch die Gesellschaft. Wie geht der gebaute Raum mit dem Menschen um und wie geht der Mensch mit der Stadt, der Natur und seinem Gegenüber um? Das sind Fragen und zugleich Gründe, warum wir öffentliche Bauaufgaben machen. Der Einfluss von Architektur auf die Umwelt ist für uns ein Hauptargument, den Beruf überhaupt auszuüben.




BRG Neusiedl

Wir befinden uns ja in einer Zeit der Transformation. Wie fühlen Sie sich als Architekt*in in dieser Zeit? Welche Chancen sehen Sie?

Wir sehen Chancen und Verantwortung, denn Architektur schafft ja viele aktuelle Probleme. Wir planen größten teils Projekte, die in bestehenden urbanen Kontexten realisiert werden. Etwas auf die grüne Wiese zu stellen, damit tun wir uns inzwischen aus ökologischer Sicht schwer. Architektur und ihre Herstellungsweise sind schon immer einem stetigen Wandel unterworfen. Eines der idealtypischen Gebäude ist im Grunde das Gründerzeithaus in der Stadt. Wir wohnen selbst in einem solchen Gebäude und am Anfang unserer Selbstständigkeit war unser Büro schon mal in jedem der Räume unserer Wohnung untergebracht. Diese Flexibilität des Gebäudes, welches noch drei-, vierhundert Jahre genutzt werden kann, ist das Ziel unserer Architektur. Heute ist es mit vielen Wandaufbauten so, dass Materialien aufeinander geklebt und geschraubt werden, wo wir nicht sicher sagen können, ob das vierhundert Jahre lang funktionieren kann. Eine monolithische Ziegelwand hat da eine ganz andere Qualität. Was das angeht schauen wir, dass wir Projekte finden, wo wir diese Themen einbringen können. Wichtig ist hierbei auch, mit der Politik und mit den Normierungsgremien im Gespräch zu bleiben. Österreich, Deutschland und die Schweiz haben sehr viele Rechtsvorschriften. Diese vielen Vorschriften haben natürlich einen starken Einfluss auf die Architektur. Auch hier sehen wir Architekturschaffende uns in der Pflicht, auf die Rechtsvorschriften Einfluss zu nehmen, denn wir wissen, wo welche Vorgabe qualitative oder unnötig kostentreibende Effekte auf das Gebäude hat.




Brauchen wir ein grundsätzlich neues Verständnis von Gebäuden?

Dadurch, dass wir alle immer noch Menschen sind wie vor hundert, dreihundert Jahren, glauben wir nicht, dass wir ein grundsätzlich neues Verständnis brauchen. Wir müssen auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer schauen und diesen gerecht werden. Wo tatsächlich neu gedacht werden muss, ist bei den Räumen zwischen den Gebäuden, also den Straßen und Außenanlagen. Wir sind im zehnten Bezirk in Wien in einem neu gebauten Viertel, wo ein Teil der Straßenbahnschienen zum Beispiel begrünt ist. Früher war der Bereich (leicht zu warten) mit Betonplatten ausgelegt. Bei uns läuft die Schiene nun quasi über die Wiese. Das heißt, es wurde ein Grünraum, in der Zone zwischen den Gebäuden, geschaffen, den es früher nicht gab. Im Raum zwischen den Gebäuden müssten wir einfach innovativer werden, auch weil die Stadterhitzung durch die Klimaerwärmung an Einfluss auf die Lebensqualität gewinnt. Das heißt, wenn man eine Straße begrünt und Bäume pflanzt, hat das einen viel größeren Effekt, als wenn man, wie in Wien bereits vereinzelt geschehen, Wassernebelmaschinen aufstellt und damit eine technikbasierte Lösung anstrebt!

Am besten lernt man unserer Meinung nach, aus guten, gebauten Beispielen. Wenn wir jetzt anfangen, alles komplett neu zu erfinden, wird wahrscheinlich mindestens die Hälfte langfristig wieder verkehrt sein. Wir müssen uns das, was gut funktioniert, genau anschauen, mit neuen Ideen koppeln und uns immer wieder fragen: Was ist an der Lösung gut und was könnte man noch besser machen?




Kiga Neufeld

Gast

Collage
Collage

Christine Horner & Christoph Hinterreitner

SOLID architecture

Nach ihrem Architekturstudium an der TU Wien und an der Ecole de la Villette, war Diplom-Architektin Christine Horner in Architekturbüros in Washington DC, Darmstadt sowie Paris tätig. 2006 erhielt sie die ZT Befugnis. Diplom-Architekt Christoph Hinterreitner studierte an der TU Wien, TU Graz und RWTH Aachen Architektur, zuvor machte er einen Studienabschluss in Kunstgeschichte an der Universität Wien. In Wien, Köln und Paris arbeitete er in Architekturbüros. Er erhielt auch 2006 die ZT Befugnis. Christine Horner und Christoph Hinterreitner gründeten 2000 gemeinsam das Architekturbüro SOLID architecture.

SOLID architecture beschäftigt sich mit Gestaltungsaufgaben im öffentlichen Raum. Das Team löst anspruchsvolle und sensible Gestaltungsaufgaben und arbeitet vorrangig in den Bereichen Bildungsbau, Corporate Architecture sowie in der Brückenplanung und Ausstellungsgestaltung. Den aus Wettbewerbserfolgen hervorgegangenen, mehrfach ausgezeichneten Bauten legen Christine Horner, Christoph Hinterreitner und Tibor Tarcsay bekannte Typologien und Elemente aus der Architekturgeschichte zu Grunde.

Gastgeberin

SabineGotthardt
SabineGotthardt

Sabine Gotthardt

Leader, Business Development Architecture & Real Estate Central Europe, LIXIL EMENA

Als Diplom-Ökonomin wurde sie 2008 von der GROHE Deutschland Vertriebs GmbH beauftragt, ein Netzwerk von VIP-Architekturbüros und Immobilienunternehmen aufzubauen, um deren Empfehlungsverhalten zugunsten von GROHE positiv zu beeinflussen. Als "Türöffnerin" entwickelte sie Strategien, um die Top-Entscheider der Architektur- und Innenarchitekturszene an GROHE zu binden. Verschiedene von ihr entwickelte Interviewreihen dokumentieren das Engagement von GROHE, die Entwicklungen und Veränderungen in der Baubranche als Partner zu begleiten.

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